Des Kaepten ICW

Lehr- und Wanderjahre auf dem ICW


In diesem Bericht moechte ich unsere Erfahrungen und Tips zusammenfassen und an die Weltenbummler weitergeben, die mit dem Gedanken spielen, auch einmal diesen Kanal zu befahren.



Den Jahreswechsel 2010/2011 verbrachten wir auf den Bahamas. Genau gesagt auf Grand Bahama, in der Naehe von Freeport, der zweitgroesten Stadt auf den Bahamas.


Es gibt zwei Gruende fuer uns hier zu sein. Zum einen laeuft das Cruising Permit fuer die USA, das heisst die einjaehrige Zulassung fuer Senta, Anfang des Jahres ab. Um ein neues Permit zu bekommen, muessen wir das Land verlassen und wieder einreisen. Zum anderen trieben uns die Temperaturen in waermere Gefilde.
Wie uns Einheimische in Florida berichteten, ist das der zweite kalte Winter in Folge, mit Temperaturen im Minusbereich. Die Winter in frueheren Jahren waren mal ueber einige Tage kalt, aber jetzt!? Auch bei der breiten Bevoelkerung in den USA setzt das Nachdenken ein, dass mit dem Wetter irgendwas los ist.
Das wir so spaet im Jahr in einer Gegend rumschippern, die abgesehen von Florida nicht sehr viel waermer als unsere Heimat ist, haben wir u.a. dem Intracoastel Waterway zu verdanken.
Beim Intracoastel Waterway, kurz ICW, handelt es sich um ein Kanalsystem, das von Mexiko bis nach Boston in Neuengland reicht. Entstanden ist es aus Seeen, Buchten, natuerlichen und kuenstlichen Wasserlaeufen.



Bevor ich ueber unsere Erfahrungen auf dem ICW berichte, zuerst etwas Allgemeines und Geschichtliches.
Der ICW erstrekt sich ueber eine Gesamtlaenge von 4800 km. Im Sueden verlaeuft er von der mexikanischen Grenze bis Florida. Hier trifft er im Norden Floridas auf den Kanal, der von den Florida Keys bis nach Boston reicht.

Die Entstehungsgechichte des Kanals geht bis in das Jahr 1808 zurueck. Damals stellte ein gewisser Mr. Gallatin, Staatssekretaer im Wirtschaftsministerium in Washington, in einer Publikation ein Transportsystem vor, das aus Land- und Wasserwegen bestand. Die Wasserwege waren vor allem fuer den Transport von Massenguetern bestimmt und sollten weitgehend wetterunabhaengig von der mexikanischen Grenze bis Boston reichen. Es dauerte aber noch einmal zehn Jahre, bis das Militaer den Plan aufgriff und erneut publizierte.

Der damalige Verteidigungsminister Calhaun wies auf die Wichtigkeit eines Transportsystems hin und dass das Army Corps of Engineers die einzige Institution im jungen Amerika war, das so ein nationales Projekt realisieren konnte. Er wies darauf hin, dass die einzelnen Bundesstaaten nicht das Wissen hatten und nicht in der Lage waren, so eine Anlage koordiniert zu bauen. Auch mussten die Kosten auf die gesamte Nation umgelegt werden. 1824 uebernahm der Kongress nach langen Verhandlungen die Verantwortung fuer das Projekt, 1829 wurde die Routenplanung vorgelegt. Erst im Jahre 1875 hatte das Corps of Engineers die Plaene fuer den Kanal angefertigt. Man begann Land zu kaufen und etappenweise mit dem Bau.
Jetzt trat aber ein Problem auf, das bei der Planung niemand ahnen konnte. Die Wasser- und Landwege hatten Konkurenz bekommen, die Eisenbahn. Man sah bei der Eisnbahn die Chance, das fuehrende Transportsystem zu werden und behinderte den Bau des ICW nach allen Regeln der Kunst. Das hielt bis nach dem 2. Weltkrieg an.
Etwas guenstiger war die Situation auf der Kanalstrecke Mexiko Florida. Die Oelfunde im Sueden Anfang des 20. Jahrhunderts verlangten nach billigen Transportwegen fuer Erdoel, Erdoelprodukte, Baumaterial und was sonst alles transportiert werden musste. So wurde vor allem im Sueden der Kanal immer weiter ausgebaut um der Groesse der Transportschiffe Rechnung zu tragen. Das ging so bis in die Mitte der achziger Jahre des letzten Jahrhunderts weiter. Aber dann kam der Punkt, an dem die Einkuenfte aus der Kanalbenutzung die Kosten fuer einen weiteren Ausbau nicht mehr tragen konnten. Und der Kanal verlor seine Bedeutung fuer die Wirtschaft.


Jetzt, im Jahr 2010, haben wir auf unserer Fahrt auf dem ICW kaum Transportschiffe gesehen. Wir trafen nur noch Freizeitskipper mit ihren Segel- oder Motorbooten, sowie Berufs-oder Hobbyfischer.
Die Atlantikseite des Kanals ist eine einfache und gefahrlose Route fuer Bootseigner, die im Fruehjahr in den Norden und im Herbst zurueck in die Sonne wollen. Die Benutzung, auch das Passieren der Bruecken, ist fuer Freizeitskipper frei. Die Berufsfahrt bezahlt nach dem transportierten Gewicht.



Auf dem Kartenausschnitt sieht man die Begradigung des Flusses. Das Foto daneben zeigt was die Natur daraus gemacht hat. Fuer uns einer der schoensten Ankerplaetze.

Der Kanal wird weiterhin vom Corps of Engineers unterhalten. Man garantiert eine Wassertiefe von 12 Feet. Auf diese Angabe sollte man sich aber nicht in allen Bundesstaaten verlassen. Noerdlich der Delaware Bay z.B. ist der Kanal stellenweise nur noch 3 Feet tief. Auch verschwinden nach und nach die beweglichen Bruecken und werden gegen feste mit einer Hoehe von 65 Feet ausgetauscht.
Was benoetigt man, wenn man den Kanal befahren moechte? Abgesehen von einem Schiff in einer bestimmten Groesse und Kartenmaterial ist eine Abschlepp-und Bergeversicherung sehr wichtig. Wie mir Einheimische berichteten, faehrt niemand ohne solch eine Versicherung los. Die ca. 150 Dollar sind gut angelegtes Geld, denn Abschleppen kann sehr teuer werden. Da rede ich aus eigener Erfahrung. Einen Augenblick nicht aufgepasst. Ein Licht, das man in der Nacht falsch eingeschaetzt hat oder eine Sandbank, die ihre Lage veraendert hat oder nicht in der Karte steht und schon ist man ein paar Hundert Dollar los.


Wieder mal am Haken. Nach dem das Getriebe seinen Dienst eingestellt hat, musste uns TOWBOAT US nach Beaufort abschlppen. 20 Meilen, 4 Stunden. Das kostet ca. 1500,00 $. Die Tow Versicherung war gut angelegtes Geld

Betreffend der Schiffsgroesse sind die Masthoehe und der Tiefgang fuer eine problemlose Fahrt entscheidend.
Wir haben auf unserem Rueckweg von New York in den Sueden den ICW ab Norfolk in Virginia bis Fort Pierce in Florida auf ca. 1800 km Laenge befahren. Auf dieser Strecke hatten wir keine groesseren Probleme mit der Wassertiefe im Kanal. Senta hat einen Tiefgang von ca. 1,30m. Bei einer garantierten Wassertiefe von 12 Feet waren wir fuer die meiste Zeit auf der sicheren Seite. Es kam aber trotzdem vor , dass wir Grundberuehrung hatten. Eine garantierte Durchfahrtshoehe vo 65 Feet unter den festen Bruecken ermoeglichte uns eine sichere Durchfahrt. Aber Vorsicht, suedlich von Fort Lauderdale gibt es Bruecken die z.B. nur 55 Feet Hoehe haben.
Die beweglichen Bruecken haben entweder feste Oeffnungszeiten oder werden auf Anforderung geoeffnet. Man muss den Brueckenwaerter ueber Kanal 9 anrufen und ihn um Oeffnung der Bruecke bitten, dies gilt auch bei festen Oeffnungszeiten.

Noerdlich der Delaware Bay ist der ICW nur noch fuer kleine Motorboote mit geringem Tiefgand zu befahren. Wie ich bereits bemerkte, ist die Wassertiefe stellenweise nur noch 90 cm, ca 3 Feet tief und die Durchfahrtshoehe unter festen Bruecken manchmal nur 40 Feet.



Was fuer Kartenmaterial oder Buecher benoetigt man? Wir hatten folgendes an Bord.

Skipper Bobs Anchorages along the ICW.
Auf ca. 120 Seiten werden Ankerplaetze am ICW, Bruecken mit Oeffnungszeiten und Besonderheiten sowie Unregelmaessigkeiten am Kanal beschrieben. Die Angaben zu Marinas sind nicht komplett. Im Internet kann man sich Updates und Berichte von anderen Skippern, die den Kanal befahren haben, runterladen. Skipper Bob war fuer uns die „Bibel“. Die Entfernungen werden ab Norfolk Richtung Sueden angegeben, genau wie im:

Waterway Guide Atlantic ICW
Unsere Ausgabe ist von 2010 und beinhaltet die Route von Norfolk Virginia bis Jacksonville in Norden Floridas.
Auf 400 Seiten bekommt man hier weitere Information ueber den Kanal. Z.B. Reparatur- und Versorgungsmoeglichkeiten, Telefonnummern und Funkkanaele von Marinas sowie touristisch Wissenswertes ueber die Orte am Kanal.

Karten
Schon bei der Planung fuer unsere USA-Reise habe ich mir aus dem Internet den gesamten NOAA Kartensatz auf den Laptop geladen. Dieser enthaelt die gesamte Kueste der USA und ist fuer jeden kostenfrei zugaenglich. Die Amerikaner finden, dass das NOAA ist eine Staatliche Oranisation ist und man hat die Karten fuer den privaten Gebrauch schon mit der Steuer bezahlt hat, also muss man nicht nochmal bezahlen. So einfach kann einfach sein. Die Karten werden regelmaessig vom NOAA aktualisiert.

Wetter, Emails und Zeitung lesen.
Sehr oft hatten wir Zugang ueber WIFI ins Internet. Wobei eine externe Antenne unerlaesslich ist. Auch wenn man meint, man liegt irgendwo einsam am Anker, ein Blick in Google Earth zeigt, das ein paar hundert Meter weiter, hinter den maechtigen Baeumen z. B. ein Hotel oder eine Marina ist und die haben sehr oft freies Internet. Wenn nicht haben wir unsere Post sowie den Wetterbericht ueber Kurzwelle abgerufen.


Abgesehen von einigen Kilometern die wir im Sommer auf dem Kanal fuhren, begann unser Kanalabenteuer auf der Rueckfahrt von New York, in Norfolk Virginia. Schon auf der Hinfahrt stellten wir fest, dass wir eine gute Entscheidung getroffen haben und wir die USA von einer interessanten und fuer uns bis dahin unbekannten Seite kennen lernen wuerden.
Anders als im Sommer sahen wir ueber weite Strecken kaum andere Boote und hatten sehr oft einen Ankerplatz nur fuer uns alleine. Das lag wohl vor allem daran, dass es spaeter Herbst und stellenweise empfindlich kalt war und sich die meisten „Zugvoegel“ schon im Sueden befanden.


Wie ich bereits erwaehnte, beginnen die Meilenangaben in beiden Handbuechern ab Norfolk. Hier sollte man den Routenzaehler des GPS auf Null stellen. Es vereinfacht das Finden von angegebenen Plaetzen. Aber Achtung, GPS und Entfernungen im Handbuch stimmen nicht immer genau ueberein. Hier helfen die Nummern der Tonnen, sowie die Karten weiter.

Verlaesst man Norfolk nach Sueden, muss man sich nach ein paar Meilen zwischen zwei Moeglichkeiten entscheiden. Wir waehlten den oestlichen Kanal, den Virginia Cut. Maeandert er doch durchs Land und und zog sich nicht ueber weite Strecken wie mit dem Lineal gezogen hin.


Die einzige Schleuse auf diesem Teil des Kanals hat die Aufgabe, den Tiedenstrom zu reduzieren. Das Schleusen ist sehr einfach, da der Hub maximal 50 cm betraegt und die Schleusenkammer sehr gross ist. Hilfsbereites Personal steht bereit um Leinen anzunehmen.


Im „Skipper Bob“ werden die Ankerplaetze mit 6 Zahlen, die jeweils von 1 bis 4 varieren, bewertet. Z.B bekommt unser Ankerplatz die Nummer 433221. Die erste Zahl, in unserem Fall die 4, sagt aus, wie gut der Ankergrund ist. Wobei 4 gut und 1 schlecht ist Es folgen Werte fuer Stroemung, Wind, Schwell durch fahrende Schiffe, Aussicht und Versorgungsmoeglichkeiten.
Fuer eine ruhige Nacht sind die ersten Zahlen natuerlich sehr wichtig. Die letzte Zahl, fuer die Versorgung, ist aber mindestens ebenso wichtig. Meistens stand hier der Wert 1, d. h. keine Versorgungsmoeglichkeit. Fuer uns hiess das, vorausschauen und rechtzeitig bunkern. Da Supermaerkte meistens auf der gruenen Wiese sind, bieten einige Marinas kostenlose Benutzung des Hafenautos fuer eine oder zwei Stunden an. Manche Supermaerkte ueberraschen auch mit einem kostenlosen Transportservice. Oft mussten wir aber auf ein Taxi zurueck greifen.



Solche Leckereien haben das Licht der Welt auf dem ICW erblickt.

Jetzt nach Abschluss der Fahrt auf dem ICW koennen wir alle, die mit dem Gedanken spielen diese Strecke zu befahren, nur ermuntern. Auch wenn ich vom Segler zum Motorbootfahrer und vom Blau- zum Braun- oder Gruenwassersegler mutierte, fanden wir die Fahrt auf dem ICW abwechslungsreich und sehr interesant.
Wie oft haben Segler das Vergnuegen sich waehrend des Segelns so zu versorgen? Ganz anders auf einer Fahrt auf dem Kanal, wenn die Toepfe da stehen bleiben wo man sie hinstellt und der Smutje nicht immer eine Hand zum Festhalten braucht. Regelmaessig kam der Duft von frischem Brot oder Kuchen an des Skippers kalte Nase und ein Blick auf den Herd, wo ein Eintopf vor sich hinbruzelte verriet, dass die harte Zeit am Ruder bald vorbei ist und ein warmes Essen bereit stand.

Eine Erfahrung die wir nicht missen moechten, meint

der Kaepten


(C) 2008 - Alle Rechte vorbehalten

Diese Seite drucken