Sind das wirklich Wilfried und ich, die um 8.20 Uhr früh munter über die Dorfstraße schlendern Richtung Bahnhof? Na ja, so wach noch nicht, aber wenn wir etwas mehr von Brasilien sehen möchten als unseren Steg, den Esel am Ufer und den Himmel über uns, müssen wir unsere Zeiten dem hiesigen Rhythmus anpassen.
Doch nicht ganz und gar, hier wird es ganzjährig um 5.20 Uhr hell.Gleichzeitig reißen uns zahlreiche Stimmen und viel Palaver aus einem noch gesunden Schlaf. Musik erklingt aus den Fischerbötchen und den Wassertaxen, die bereits von einigen Dorfbewohnern am Ufer erwartet werden. Sie möchten in umliegende Dörfer gebracht werden, wahrscheinlich sind sie auf dem Weg zur Arbeit.
Hunde bellen zur Begleitung und der Hahn kräht unermüdlich weiter. Er kann die Uhr nicht gut lesen, denn er übt den erwarteten Morgenschrei bereits seit Mitternacht. Für unsere Ohren klingt das alles wie: raus aus den Federn, der Tag beginnt!
Wer uns kennt, weiß, daß wir hartnäckige Nachtmenschen sind, die lange lange aufbleiben in der Nacht und morgens gern ausschlafen. Im Hinblick auf die hiesigen Themperaturen merken wir natürlich schon in den ersten Tagen, daß es bereits um 9 Uhr so richtig heiß ist und das Thermometer bis mittags noch höher steigt. So planen wir zwar einiges an Unternehmungen für den nächsten Tag, verschieben sie dann aber nach dem Wachwerden und gemütlich langen Morgentrank und „Kölner-Stadtanzeiger-Lesen“ via Internet oftmals auf morgen, weil es nun doch zu spät ist um loszugehen.
Natürlich können unsere Beine auch noch gegen 10 Uhr Richtung Bahnhof laufen und in den Zug einsteigen, der uns in umliegende Städte bringen kann. Aber der kurze Weg dorthin läßt uns schon schmelzen um diese Zeit. Bis wir dann ankommen am jeweiligen Ort, halten die hiesigen Bewohner bereits Siesta. Die Türen der Geschäfte bleiben meist offen doch wenn wir näher herantreten, sehen und hören wir aber ruhende und schnarchende Inhaber. Wir möchten sie dann nicht stören, nur weil wir etwas kaufen wollen.
Wir gewöhnen uns an, immer Badezeug mitzunehmen und während der Siestazeit am Strand zu schwimmen und Kokosnußmilch zu schlürfen.
Paniert mit Sand und cremig vom Sonnenöl wollen wir dann unsere Einkäufe später tätigen – machen wir dann aber doch selten. Die Hitze macht müd und schlapp und treibt uns nur noch nach Hause aufs Boot.
Nach ca. drei Wochen schaffen wir es immerhin so manches Mal um 7 Uhr aufzustehen und wie oben bereits erwähnt den 8.20 Uhr-Zug zu nehmen. In Hafennähe selbst ist fußläufig der Bedarf an täglichen Lebensmitteln kaum zu decken. Der Zug jedoch fährt in jede Richtung pro Stunde einmal und wir staunen immer wieder über die 50 Centavos, die das kostet, egal wie weit du fährst. Das entspricht ca. 15 Cent in deutscher Währung.
An einem Tag führt der Weg nach Santa Rita, einem kleinen Städtchen bei Joao Pessoa. Es ist ein bewölkter Tag und der Wind weht ein wenig, nach den letzten Tagen ohne Wind und Wolke und außerordentlicher Hitze ein wunderbarer Ausflugstag. Wir schlendern durch den Ort und treffen wiedereinmal auf einen der Märkte, die uns immer wieder erfreuen mit ihrem reichhaltigen Angebot an frischen Lebensmitteln und sonstigen Kleinigkeiten, die man so braucht. Hier fotografieren wir am liebsten und ohne zu suchen haben wir reichlich Motive.
Ein anderer Tag bringt uns nach Jao Pessao Stadtzentrum. Der Zug hält dort und zahlreiche Busse bringen dich dann in die Stadtteile, die du anvisierst. Busfahren ist hier eine Kunst, zumindest als Europäer. Nein, du stehst nicht ordentlich an einem Bushäuschen und wartest, denn es gibt soviele Busse und aus Platzmangel kann nicht jeder kann einfach halten und dich mitnehmen. Ohne Unterbrechung fahren Busse daher und wenn du die richtige Nummer hast und weißt wohin er fährt, springst du im richtigen Moment in den fahrenden Verkehr und hebst die Hand zum Zeichen, daß du mitfahren möchtest. An weniger befahrenen Strecken ist das o.k. Und der Schaffner sagt auch gern, wo du dann aussteigen kannst, wenn du unsicher bist, weil Brasilien nicht dein Heimatort ist und du das Ziel nur aus dem Reiseführer kennst.
An diesem besagten Tag brauchten wir neue Sandalen und luftige T-Shirts. Also suchten wir die Einkaufszentren, die uns von Bootsnachbarn angepriesen wurden.
Nun reihten wir uns unterwegs ein in eine Menschentraube, die sich nach und nach auflöste in die verschiedenen Busse. Nur die 610, die uns zur berühmten „Shoppingmeile“ bringen sollte, fuhr dreimal in zweiter Reihe an uns vorbei. Unser Winken macht keinen Eindruck, in diesem Trubel wird es gar nicht gesehen und die Busse waren sowieso nicht leer, also fahren sie vorbei wenn die 1. Reihe belegt ist mit Kollegen.Das ist ganz normal und für die Brasilianer auch kein Problem. Für uns wurde es eines, denn die Sonne brannte uns inzwischen schon ziemlich auf den Kopf.
Da erinnerten wir uns wieder an unser Badezeug im Rucksack. Wilfried schlug vor, einfach in den nächsten Bus zu steigen, der kommt. Gesagt – getan und siehe da, er fuhr aus der Stadt heraus und ein wenig kamen uns die Reklameschilder und Häuser bekannt vor von vorherigen Stadtfahrten. Er fuhr und fuhr und als wir durchs Fenster das Meer riechen konnten, stiegen wir aus und löschten unsere dampfenden Füße in Sand und Meer. So lernen wir nach und nach einige Orte kennen ohne sie vorher einzuplanen. Wir lassen uns ein auf die Gegebenheiten und merken, daß es uns sehr gut gefällt.
So vergehen die ersten Wochen mit langsamen Gewöhnen an die Hitze und dem sich verstärkenden Gefühl, daß Brasilien ein ungewöhnliches und vielseitiges und für uns so ganz neuartiges Land ist, von dem wir noch recht viel kennenlernen möchten.
Da wir insgesamt mit Verlängerung nur ein halbes Jahr im Land gucken dürfen, ist gute Planung erforderlich. Das merken wir jetzt, da so schnell die letzten Wochen vergangen sind.
Wir überlegen was wir auf jeden Fall sehen möchten und beschließen eine Rucksacktour ins Land.
Die Wasserfälle von Iguacu (die Cataratas)
Rio de Janeiro und
Salvador Bahia
haben wir nun vor uns und der Flieger bringt uns zuerst nach Iguacu.