Norfolk bis Charleston
Mitte Oktober und November 2010
Hier in Norfolk beginnt wieder der Intercoastel-Waterway und nun koennen wir ganz gemuetlich durch den Kanal duesen und die wechselhaften Landschaften und schoensten Ankerplaetze inmitten der Natur geniessen. Abends planen wir den naechsten Tag und die Strecke bis zum Sonnenuntergang.
Skipper Bobs Anchorages Publications ist unser hilfreicher Reisefuehrer fuer die Streckenplanung, die sicheren Ankerplaetze, Bruecken mit Hoehenangabe und Oeffnungszeiten.
Auf dem Laptop koennen wir waehrend der Fahrt jeweils schauen, wo wir sind, welche Tonnen uns den Weg weisen und welche Tiefe uns erwartet. Das Echolot ist unser wichtigstes Hilfsmittel, ohne dies steckst du ganz schnell fest und immer wieder das US-Tow-Boot rufen und sich rausziehen lassen, macht auch keinen Spass. Aber auch mit Blick auf das Echolot verschwindet das Wasser rasch unter dem Kiel. Volle Aufmerksamkeit ist fast immer angesagt, denn die Wassertiefe auch in der offieziellen Fahrrinne variiert enorm. Oft genug fehlt sogar die beruehmte Handbreit Wasser unter dem Kiel!
Wir beginnen mit der Kanalfahrt also in Norfolk nach nur einem Tagesaufenthalt. Ueber diese Stadt gibt es kaum etwas zu berichten aus der Sicht eines Touristen. Grau und trist die Umgebung des Hafens und diese Stadt ist die Heimat des weltgroessten Flottenstuetzpunktes .
So ist auch die Hafenumgebung gepraegt von militaerischen Einrichtungen, Flugzeugtraegern und vor allem von hohen Zaeunen zu Wasser und zu Land, die keine Einblicke zulassen und grosse Gebiete abgrenzen vom Rest der Welt . Militaer- Hubschrauber sorgen fuer nie nachlassende Geraeuschpegel und den Wunsch, diese Gegend rasch hinter sich zu lassen.
Es ist ein sowieso grauer und regnerischer Tag, unser erster im ICW – als wir diese triste Gegend verlassen und es dauert ungefaehr zwei Stunden, bis das erste Gruen am Uferrand auftaucht. Wir haben heute Glueck, die meisten Bruecken auf unserer Tagesstrecke sind feste Bruecken, so dass wir keine Zeit verlieren mit Warten aufs Oeffnen. Eine Schleuse liegt auf dem Weg, wieder ein neues Element um Erfahrungen zu sammeln. Kein Problem und es geht zuegig weiter.
Nach 4 Tagen heisst es tschau Virginia und hello North-Carolina. Abends am Ankerplatz faellt uns ein, dass wir vor genau 2 Jahren in La Gomera die Leinen losgemacht haben fuer die Fahrt arround the World. Sind wir wirklich erst 2 Jahre unterwegs? Es kommt uns viel laenger vor und wir haben so viel schon bereist und gesehen in dieser Zeit. Ein Abend voller Rueckblicke und „weißt Du noch ....“
Nun wollen wir natuerlich nicht von jedem Tag auf dem ICW in aller Ausfuehrlichkeit erzaehlen. Fuer uns ist es eine gute Zeit, wenn wir auch oft genug frieren und abends nicht schnell genug das Oefchen anmachen koennen, um uns aufzuwaermen. Anfangs dachten wir hin und wieder, morgen geht es hinaus aufs Meer, damit wir Strecke machen koennen.“ Aber heute bleiben wir noch im ICW“, und es werden tatsaechlich viele Wochen.
Morgens stellen wir den Wecker auf 7 Uhr, was diesmal nicht unter „Frueh aufstehen“ sondern als „Tageslicht ausnutzen“ gewertet wird. Die Sonne scheint trotz der Kaelte die meiste Zeit, aber wenn sie nach halb sechs Uhr untergeht, wird es auch sehr rasch dunkel und kalt. Also verkuerzt sich die Fahrzeit schon sehr fuer uns und da ist eben Ausschlafen verboten.
Einmal wach und Kaffe/Tee geschluerft finden wir das mittlerweile richtig gut. Wir sehen die Sonne aufgehen, der Morgennebel verschwindet so langsam und laesst die ersten hellen Augenblicke durch. Das bunte Herbstlaub schimmert noch glaenzender als am Tag, angestrahlt durch Sonnenlicht und selbst die Baeume, die laengst kein Blaetterkleid mehr tragen, wirken geheimnisvoll mit ihrem Schatten und wie aus den Filmen entstanden in „Herr der Ringe“. Ja, so koennen wir die Natur pur auch geniessen und stellen ganz erstaunt fest, dass wir mittlerweile 6 Wochen den ICW befahren und es wird nie langweilig.
Waehrend der Fahrt ist Kochen und Backen ein Vergnuegen, Senta schaukelt nicht und die Handhabung des Tagesverlaufs erinnert ein wenig an die von Familien bewohnten Frachter mit Kohle oder Sand beladen auf dem Rhein-Herne-Kanal in meiner Kindheit.
Ein paar mal frischen wir unterwegs unsere Vorraete auf, wenn wir zum richtigen Zeitpunkt am Anker oder in einer Marina anlanden koennen. Wir stellten es uns viel komplizierter vor, als es ist. Fakt ist, wir kommen ja staendig irgendwo neu an und muessen erstmal suchen.
Manchmal steht ein Auto im Hafen zur Verfuegung. Du traegst Dich in eine Liste ein und hast dann 1 Stunde Zeit fuer den Einkauf. Das ist ausreichend fuer den naechstliegenden Supermarkt. Einmal kaufen wir in der Fremde nahe des Hafens ein und an der Kasse werden wir sogleich gefragt, ob sie uns zum Schiff bringen duerfen mit dem VW-Bus des Supermarktes. Duerfen sie natuerlich, da haben wir keine Hemmungen – so ein Glueck. Wir haetten sonst ein Taxi genommen. Der Fahrer meinte, Segler erkenne man sofort, auch an dem Rucksack. Na denn.
Ein paar Abende fielen Staemme von Mueckenhorden ueber uns und unser Boot herein und uns blieb nichts anderes uebrig, als Licht auszulassen und frueh einzuschlafen. Morgens wurde das Boot erst abgespritzt, alles Weisse war schwarz vor Muecken, die die Kaelte der Nacht nicht ueberstanden haben. Drinnen ein Schlachtfeld von erschlagenden Stechbiestern, das war recht nervig, Noch vor dem Fruehstueck solche Saeuberungsaktionen.....
Auf Teilen der Strecke in North-Carolina behindern Baumstaemme neben und in der Fahrrinnne die Fahrt und wir mussten hoellisch aufpassen. Einmal schwammen 4 solcher schwarzen Hoelzer vor uns im Kanal, beweglich und flitzten ploetzlich an Land. Eigentlich waren d a s keine Baumstaemme, sondern eine Schwarzbaermama mit drei Kleinen, die wohl zu spaet den Motor gehoert hatten und dann nix wie weg, die Germans kommen!
Nun haben wir schon die letzte Oktoberwoche und ploetzlich macht die Gangschaltung Aerger. Soviel Aerger, dass wir den Steg in der Marina in Oriental nicht mehr erreichen koennen und wir direkt zu Anfang am Fischersteg die Leinen festmachen. Diagnose des Kaeptn, Getriebeschaden! Ein Neues muss her, wie auch spaeter der Mr. Mechanical bestaetigt. Die Beschaffung ist kein Problem, aber sie haben erst in ca. 3 Wochen Zeit, um es einzubauen. O je, angesichts des mit schnellen Schritten anmarschierenden Winters koennen wir uns das zeitmaessig nicht leisten.
Beaufort, das naechste Tageziel, ist da flexibler und nach mehreren Telefonaten und Bestellungen haben wir alle Probleme zumindest theoretisch geloest. US-Tow-Boat wird uns die 23 sm dorthin schleppen und in der Zwischenzeit trifft das neue Getriebe dort ein und die Arbeit kann sofort beginnen.
Super, heute ist Freitag und Sonntag Halloween und mein Geburtstag. Wir haben ein paar Tage Zeit, dieses kleine Dorf am Ende der Welt kennen zu lernen und endlich mal wieder ausgiebig die Beine zum Spaziergang zu bewegen. Wovon wir reichlich Gebrauch machen.
Oriental steht in keinem Reisefuehrer, aber als Geheimtip empfehlen wir unbedingt einen Besuch. Wer Stars Hollow kennt, die Heimat der „Gilmore Girls“ und dem auch beim Gucken dieser Serie oft genug ein Schmunzeln ueber die Lippen kam, der wird diesen Ort moegen. Ein richtig kleines, romantisches und verwunschen erscheinendes Fleckchen Amerikas.
Die kleinen typischen Suedstaaten-Holzhaeuser mit Veranden und Schaukelstuehlen sind allesamt reichlich geschmueckt und abends beleuchtet mit kunstvoll geschnitzten Kuerbiskopfen. Die grausigsten Gebisse der Kuerbisse zierten die Treppe des Hauses beim hiesigen Zahnarzt und seiner Familie.
Hier feiern wir an Halloween meinen Geburtstag und ich bin gluecklich mit der Auswahl des Ortes fuer diesen Tag.
Es stehen die Kongresswahlen an, da genuegt es nicht, die amerikanische Flagge wie immer wehen zu lassen. Im Vorgarten steckt ein Schild mit dem Namen des Hoffnungstraegern, fuer den die jeweilige Familie stimmen wird. Ein Schildermeer und wir stellen uns vor, wie es in Kerpen-Buir oder Hueckeswagen waere, wenn da jeder Bilder im Vorgarten von Frau Merkel oder Herrn Westerwelle stehen haette ..... kaum denkbar. Die Amerikaner sind eben durch und durch Patrioten und das zeigt man auch deutlich.
Auch die amerikanischen Briefkaesten sind es wert, erwaehnt zu werden. Hier wird so mancher Anflug von Kreativitaet ausgetobt, sei es mit Blumenschmuck, bunter Bemalung oder Aufklebern je nach Hobby Oder gebastelt aus einem Aussenborder ..... der Kunst werden keine Grenzen gesetzt.
Der oertliche Fischhaendler schreibt die Preistafel von Hand und am Ende steht „Jesus liebt Dich“. Laeuft ein Hund vorbei, bekommt dieser erst ein Leckerli aus der Schale neben der Kasse. Ist wichtig, der Kunde kann warten. An der Wand haengen Fotos von mehreren Generationen und des jetzigen Chefs in jedem Altersabschnitt seines Lebens. Ist doch gut, dass wir sehen, wie er als Kind auf dem Raedchen gefahren ist, oder nicht?
Gegruesst wird jeder und die Menschen sind sehr sehr freundlich. Wir schaffen es kaum, zu Fuss zum Supermarkt zu gehen. Immer wieder haelt ein Auto an und bietet an uns mitzunehmen. Das ist hier so selbstverstaendlich. Die Haelfte der Haeuser des Ortes steht zum Verkauf. Wie in vielen anderen Doerfern und Kleinstaedten wandert die Jugend ab und die Aelteren koennen nicht mehr allein wohnen und brauchen dann das Geld aus dem Erloes fuer einen Platz im Altenheim
In einem Kiefernwaeldchen nahe dem Wasser finden wir einen uralten Friedhof mit alten verwitterten Grabsteinen, Jahreszahlen aus dem Jahr 1800 und spaeter. Idyllisch und unauffaellig, wir trefen zufaellig beim Spaziergang darauf. Der Duft von Kiefern ueberzieht das ganze Dorf und ist vor allem morgens sehr intensiv. Mehrmals kommt uns ploetzlich der Gedanke an eine Badewanne mit warmen Wasser und Tannenduft. O wie lange ist das schon her, das wir das hatten. Manche Dinge gehen eben nicht auf dem Boot, das Wannenbad gehoert auf jeden Fall dazu.
Fast eine ganze Woche bleiben wir in Oriental und kennen nun jeden Winkel, haben den Landgang ausgiebig genossen und ziehen schweren Herzens weiter. Mein Vorschlag, hier zu ueberwintern, fand keine Gnade vor den Augen des Kaeptns und so kommt das Tow-Boat und bringt uns nach Beaufort, damit das neue Getriebe eingebaut wird und wir die Reise fortsetzen koennen.
Am Fischersteg in Oriental:
Kaum zu glauben, wir sind nicht laenger als drei Tage dort. Der Aus- und Einbau und eine komplette Motorwartung werden zuegig erledigt und es funktioniert alles bestens. Ein Loch im Auspuffrohr kommt bei dieser Gelegenheit noch zum Vorschein. Es kann geschweisst werden und die Reise geht endlich weiter.
Immer noch zeigt sich Mutter Natur in schoenster Weise entlang des Ufers, mittlerweile werden die Oerte wieder belebter. Wir koennen wieder endlos staunen ueber die Vielfalt der Bauweise und Gestaltung der Haeuser und Grundstuecke. Jedem ist ein Steg angebaut, der zum Haus fuehrt und meist ist am Ende des Steges im Wasser ein sehr gemuetlicher Sitzplatz gerichtet fuer die vielen Stunden des Angelns oder Relaxens. Wer dort wohnt, hat auf jeden Fall einen wassertauglichen Fahruntersatz vom Kajak angefangen, Dingi, Motorboot oder Segelschiff. Es ist alles nicht so edel und protzig wie in Miami, dafuer viel mehr das normale Leben und Vergnuegen
Irgendwann singen lautstark die Blackfoeoes (Koelner Band mit Koelsche Dialekt) , es ist 11.11 Uhr am 11.11. . Karnevalsbeginn und das bekamen auch die Voegel im ICW mit.
Zwei Tage spaeter sind wir in South-Carolina und endlich wird es tagsueber waermer und die ersten Palmen wechseln sich ab mit dem sonstigen Blaetterwald. Auch fliegen wieder die Pelikane um uns herum, ein Zeichen dafuer, dass wir zurueck in waermere Gefilde kommen.
Hier erleben wir auch unseren traumhaften Ankerplatz, den wir gar nicht mehr verlassen moechten
Mit Wachposten vor der Tuer:
Der ganze folgende Tag fuehrt durch die Suempfe und Waelder ohne ein Zeichen von Zivilisation. So oft schon auf der Reise haben wir gestaunt und uns gefreut ueber das, was wir erleben und immer wieder gibt es Moment, in denen wir ehrfuerchtig stumm sind und noch mal mehr staunen ........ so ein Tag war dieser.
Scharen von seltenen Voegeln und Pelikanen begleiten uns, die Baumstaemme sind bevoelkert von Schildkroeten, die der Reihe nach in der gleichen Richtung liegen und sich sonnen. Welch ein Anblick und es ist keine Seltenheit, in den Ankerbuchten Delfine neben uns schwimmen zu sehen. Obwohl das Wasser ueber die meiste Strecke truebe und braun ist, die Luft dafuer aber wunderbar klar und rein.
In Georgtown planen wir ein paar Tage Pause ein, ein Tiefdruckgebiet naht und es wird auch mal wieder Zeit fuer einen Landgang. Zum Ankern kann man den Platz nicht empfehlen, der Ankergrund ist schlammig und weich. So loesen sich bei dem Unwetter und 30 kn Wind beide Anker und es gibt im Ankerfeld ein ziemliches Chaos. Wir hatten Glueck, es winkt uns die Crew eines anderen Segelboots an den Public-Steg und sie erklaert uns, dass es hier jedem erlaubt ist, anzulegen und auch zu uebernachten -kostenlos. Welche Erleichterung, denn wir haetten es nicht gewagt, Senta allein am Anker zu lassen, auch nicht bei Nachlassen des Unwetters. Auch Georgetown ist nicht im Reisefuehrer erwaehnt. Und wie wir oft feststellten, sind diese unscheinbaren Orte meist sehr interessant.
Auch hier spazieren wir durch Strassen mit wunderbar typischen Suedstaatenhaeusern und koennen zu Fuss zu einem Supermarkt laufen. Im oertlichen Wollgeschaeft lerne ich etwas fuer mich vollkommen Neues kennen: Wolle aus Soja, Bambus und Perlen oder Mais. Erstaunt lasse ich mir die Besonderheit der Herstellung erklaeren. Schade, dass ich laengst „ausgestrickt“ habe, die Garne fuehlen sich wunderbar fein und weich an, wie Seide. Auch in diesem Laden gibt es Hinweise auf die in USA manchmal plakativ betriebene Religioesitaet, als Schaufensterdeko muss das Kreuz Jesu herhalten und ward mit Wolle behaengt. In meiner Einkaufstuete finde ich spaeter einen Bibelspruch, den die Chefin mir mit hineingelegt hatte. Es gibt in USA so viele Kirchen und Glaubensrichtungen und natuerlich ist jede die einzig Richtige.
Im Hafen gibt es wieder einen Fischladen mit frischem Seefood. Feiner Lachs und Shrimps winken und wir schwelgen wieder in einer leckeren Lachs-Spinat-Lasagne. Drei Tage tummeln wir uns in Georgetown und gehen nun die letzte Etappe an auf dem ICW nach Charleston.
Hier bekommen wir einen Platz im Hafen in der Marina direkt in Down-Town von Charleston - gut bewacht, denn wir wollen morgen mit einem Leihwagen nach Atlanta , Hauptstadt von Georgia und sie liegt ca. 500 km im Land, da ist die Uebernachtung dort eingeplant. Mit diesem letzten Ausflug in pure Suedstaatenromantik wollen wir auch die Fahrt durch den ICW beenden und den Rest der Strecke bis Florida wieder uebers Meer segeln.
Heute ist der 20. November und die Zeit rennt davon. Jetzt freuen wir uns erstmal auf Atlanta und werden in Kuerze weiter berichten.