Oktober 2011
Dieser Monat ist laut Wetteraufzeichnungen der regenreichste in dieser Region. Bisher bleibt es bei krachenden Gewittern und Regenguessen, die fuer angenehme Abkuehlung sorgen, aber nicht die Planung des ganzen Tages beeinflussen. Wenn es so bleibt, sind wir zufrieden, die Regenzeit scheint harmlos zu verlaufen. Die meisten Schauer fallen immer noch in der Nacht.
Natuerlich motoren wir wieder bis El Porvenir, kein Lueftchen pustet uns. Als wir den Anker fallen lassen, kommt ein Einbaum angepaddelt und wir hoeren, dass wir die naechsten 4 Tage nicht vor der Insel parken duerfen. Ein Naturschutzkongress findet statt, warum die Segler dabei stoeren, wissen wir nicht. Vielleicht aus nationalen Sicherheitsgruenden, wer weiss. Fuer 1 Stunde, nur zum Einklarieren ist es dann doch o.k., denn der Kongress beginnt erst am morgigen Tag.
Der Papierkram ist schnell wie immer erledigt und wir verlegen uns ankermaessig zwischen Wichubhuala und Nalunega. Gleich wird es dunkel und wegen der Riffe wollen wir heute nicht mehr weiter.
Wie vertraut uns diese Umgebung inzwischen ist. Vielleicht, weil hier jeder Tag gleich ist. Wenn wir morgens mit dem ersten Kaffee draussen sitzen, haben die Taxiboote bereits die „Pendler“ hin und her befoerdert, evtl. eine Gruppe Touris gebracht. Die Schulkinder toben in der Pause im Sand vor der Schule herum und die Kunafrauen mit ihren Juengsten paddeln in ihren Einbaeumen zu den Plaetzen, wo vielleicht ein einsamer Segler noch keine Mola sein eigen nennt. Fischer schnorcheln nach Lobster oder jagen nach Fisch. Ein friedliches Bild, der Rest der Welt ist weit weg.
Mangels Internet oder Morgenzeitung erreichen uns keinerlei Nachrichten und siehe da, wir vermissen es auch nicht – na ja, fast nicht. Unser Interesse und unsere Gedanken zum ueblichen Weltgeschehen sind sozusagen in Watte verpackt und auf Eis gelegt. Buddha waer ganz zufrieden mit uns, wir sind im Hier und Jetzt.
Am Abend ist Action in der kleinen Strohhuetten-Kirche der naheliegenden Insel Nalunega. Wir sitzen draussen und lauschen ueber 2 Stunden lang dem Gesang und der Live-Musik auf handgefertigten Instrumenten im heimischen Stil. Trommeln, Rasseln aus Kokosnuessen usw. Angenehm und wohltuend, da muss man gar nicht den Kunadialekt verstehen........ ein wenig gespenstisch, weil die Insel rabenschwarz im Dunkel liegt, es gibt nur in der Mitte des Dorfes eine schwache Beleuchtung. Die Kunas leuchten ihren Heimweg mit der Taschenlampe aus.
Hier koennten wir muehelos Wurzeln schlagen, aber es gibt noch einige Inseln zu entdecken. Nun steuern wir gen Osten von Panama Richtung Rio Diabolo, dort sind wichtige Quellen fuer die Inselbewohner und Segler, die Trinkwasser benoetigen.
Nargana sieht man bereits von weitem an, dass es tatsaechlich ein wenig groesser ist als die uns bisher bekannten Doerfer. Der Ort wird geteilt durch eine Bruecke. Warum sich dort jede Menge schwer bewaffnetes Militaer herumtummelt, ist nicht einleuchtend. Die friedlichen, scheuen Kunas brauchen das sicher nicht, es gibt so gut wie keine Kriminalitaet auf den Inseln. Auch vor der einzigen Kuna-Bank in Kuna-Yala, einem winziges Haeuschen, draengeln sich wahrhaftig 5 Militaeris darum, die nicht vorhandene Horde boeser Buben notfalls in Handschellen zu legen.
Ausser in Colon, wo die Verhaeltnisse offensichtlich es erfordern und in Stadtteilen von Panama-City, haben wir ein derartiges Aufgebot von Aufpassern nirgendwo wahrgenommen. Im Verhaeltnis zur Menge der Dorfbewohner auf jeden Fall grotesk.
Hier bedauern wir wieder einmal unsere mangelhaften Spanischkenntnisse. Wie gern wuerden wir mal nachhaken. So bleibt es bei vagen Vermutungen und dem, was wir von anderen Seglern hoeren.
Die Naehe zur kolumbianischen Grenze hier im Osten traegt moeglicherweise dazu bei. Drogengeschaefte sind ein Thema. Es heisst, in diesem Gebiet verlieren bei naechtlichen Fahrten schon mal die Kuriere ihre Ware absichtlich, wenn eine Kontrolle der Coast-Gard droht und Kuna-Fischer haben die Paeckchen am Haken. Sie zu behalten und fuer viele Dollars zu verkaufen, ist tabu. Die Drogenbosse wissen ja, wo die Fracht verlorenging und das Risiko eines Gefechts mit ihnen gehen sie gar nicht ein.
Da ist es harmloser und eintraeglicher, bei Anfragen den Fund zurueck zu geben und eine satte Belohnung zu kassieren.
Geld bekommen WIR keines bei der kleinen Bank, nur fuer die Einheimischen – soviel haben wir verstanden. Weder per Karte noch in bar.
Nargana gefaellt uns gar nicht, laengs des Ufers ueberall viel Muell, auch Plastik und die Huetten notduerftig zusammengehalten und ein Mischmasch aus den ueblichen Strohhuetten und einigen aus Beton. Nicht verputzt, rohbauartig und selten fertiggestellt, alles wirkt wie eine immerwaehrende Baustelle und schmutzig und zugemuellt. In der Mitte des Dorfes sind die Wege sauber, aber kaum etwas Gruen um die eng aneinander gebauten Huetten.
Wir kaufen in einer kleinen Tienda Obst und Gemuese – welch ein Luxus im Moment – und das erste Huehnchen. Dass wir gut bevorratet sein muessen fuer Kuna-Yala, schrieben wir bereits, denn ob und wann ein einheimisches Gemueseboot am Ankerplatz seine Runde dreht, ist ungewiss. Und Fleisch gibt es nirgendwo, ausser jetzt in diesem Dorf frisches Pollo. Das wird ein Festschmaus am Abend und der brandneue Service des jungen Kunas – eine Schubkarre, die unsere Beute an das Dingidock bringt – nehmen wir froehlich zur Kenntnis. Das Huhn konnte nicht mehr weglaufen und unser Einkauf haette locker in einen unserer Rucksaecke gepasst, aber wir sind doch keine Spielverderber.
Ganz in der Naehe, die zweite „groessere“ Insel Uargandup wirkte aehnlich auf uns. Die Groesse der Inseln drueckt sich nur darin aus, dass es viel mehr Huetten und zusaetzlich ein paar gemauerte Behausungen gibt und hier die einzig hochgebaute Kirche herausragt aus der Menge. Wo sonst auf den Inseln wenige Huetten und viele Palmen zuhause sind, fehlen hier die Baeume und dichtgedraengt ist die Bebauung.
Interessant, der Vergleich zu den uns bekannten Trauminselchen in den Lemmoncays und den „Grossstaedten“. Uns zieht es jedoch mehr unter die Palmen und die Holandes Cays. Die Abstaende von Insel zu Insel sind so gering, gut aufpassen wegen der Riffe und taeglich sind wir in neuen Gefilden. Die unbewohnten aehneln sich und unterscheiden sich nur in der Groesse, mal gibt nur Palmen, manchmal gemischt mit Mangroven. In dieser Gegend treffen wir kaum auf andere Segler.
Passend zum Ankern fuer die Nacht erreichen wir eines Nachmittags Sugardup, auch so ein unbewohntes Eiland. Eine traumhafte Bucht mit tuerkisklarem Wasser. Der Anker faellt, wir sind sofort im Wasser und erschnorcheln uns die Unterwelt....... Vogelkonzert begruesst uns in den Mangroven und die Pelikane sagen hallooo.
2 Stunden spaeter soll der Rest des Huehnchens zum Abendessen gewaermt werden, ich stehe am Herd und der Kaeptn sortiert draussen die Kissen zum Sitzen. Es juuuckt auf einmal, erst wenig und dann immer mehr. Zu wenig Haende zum Kratzen – und im Nu fallen sie ueber uns her ..... die Sandfliegen. Wir sind schwarz davon am Leib und wir koennen sie gar nicht so schnell meucheln, wie sie nachkommen. Nee, soviel zu unserer traumhaften kleinen Bucht, mutterseelenallein. Herd aus, Anker auf, das wird kein romantischer Abend unter dem Sternenhimmel. Schade und tschuessss.
Ja die Holland Cays sind bekannt dafuer, erzaehlen uns spaeter Segler, die ebenfalls nur kurz dort ankerten. Die ganze Nacht quaelen sie die Besucher und an Schlaf ist trotz Mueckenfenster nicht zu denken. So winzig wie sie sind, teilen sie sich jede Luecke im Gaze mit mindestens 5 Freunden zum Durchhuschen, wie gut dass wir sofort gefluechtet sind. Solche Naechte kennen wir auch.
Ein Sahneschnittchen unter den bekannteren Inseln ist fuer uns Banedup, bewohnt von nur einer Familie. Dennoch ist hier ein Treffpunkt fuer Segler und selbst kleine Rundfahrboote halten hier und geben den Touris Gelegenheit, sich mit einer Trinkkokosnuss oder einem Bier zu erfrischen.
Morgens am Ankerplatz hoeren wir, dass der Waechter von Banedup auf einer Muschel blaest. Das ist das Zeichen und bedeutet: „frische Broetchen und Brot sind fertig“. Die wachen Segler duesen mit dem Dingi hin und das Fruehstueck ist gesichert. Whow, ist das ein Service. Dazu muss man wissen, dass kaum mehr als 5 Boote gleichzeitig vor Anker liegen und der Baecker keinesfalls ein Riesengeschaeft macht mit seiner Arbeit.
Ein alter Gasofen auf einem Baumstumpf ist die Baeckerei und es duftet herrlich. Wir staunen, als klar wird, dass dies die Kueche des Restaurants ist, das wir gleich beim Rundgang erblicken. Der inseluebliche Baustil, die Tische und Baenke herrlich rustikal zusammengeschustert. Direkt daneben eine kleine Unterstellhuette mit einem Bett, denn da der Baecker auch kocht und serviert, braucht er etwas zum Ausruhen. Restaurant, das bedeutet, du kannst das uebliche Essen vorbestellen. Reis mit Huehnerbeinchen oder mit Fisch. Aber auch nicht jeden Tag, nur ab und zu. Wir sahen auch nie jemanden essen, aber jetzt ist Regenzeit und weniger Gaeste tauchen auf.
Wir kaufen unsere Broetchen, bekommen noch Ananas und Kokosnuesse und das zusammen ist unser leckeres Fruehstueck. Wir geniessen jeden Tag auf den San Blas Inseln besonders.
Chichime, die Inseln, die wir vor Wochen mit Nils besuchten, sind auch jetzt noch ein bevorzugtes Ziel und hier bleiben wir etwas laenger. An einem Wochenende, freitags, kreisen mehrere Hubschrauber und setzen immer wieder Leute ab. Gleichzeitig faehrt ein Militaerboot voll besetzt durch die Ankerlieger und es kommt eine Superluxusyacht zu uns ins Feld. Soviel ungewohnte Aktion faellt gleich auf.
Wir fragen die Kunas, was los ist und sie erklaeren uns, dass der Sohn des Staatspraesidenten soeben mit Freunden gebracht wurde und auf der Yacht verbringen sie nun das Wochenende. Abwechslung fuer die Segler und auch fuer die Kunas. Die Kunas sammeln unermuedlich Lobster auf den Riffen fuer die prominenten Gaeste und die Frauen paddeln saemtliche Molas an die Luxusyacht. Wir beobachten, dass sie freundlich empfangen werden und vor allem Fisch und Lobster den Besitzer wechseln.
Abends macht die Gesellschaft ein riesiges Feuer am Ufer und so manche Palme wird dabei verbrannt. Ein herrliches Schauspiel und wir Segler sind das Publikum aus der Ferne. Es wird von der Crew ihrer Yacht eifrig gegrillt und gekocht, dass uns Seglern das Wasser im Munde zusammenlaeuft. Sie haben mit Sicherheit einen gefuellten Tiefkuehler an Bord und was wir schnuppern an Gegrilltem, haben wir schon lange nicht mehr gesehen, geschweige denn gefuttert. Aber auch die Folter geht vorbei und wir spazieren immer wieder ueber die Inselchen und schwimmen, schwimmen, schnorcheln.
Von uns aus koennte es noch Monate so weitergehen, das sieht Petrus aber anders. Mit dem Vollmond veraendert sich das Wetter so ploetzlich, dass wir es doch einmal erwaehnen muessen. Schwere Gewitter, so richtige Kracher, Sturzregen und es will gar nicht aufhoeren. Macht nix, denken wir, es wird auch wieder sonnig.
Die Luft kuehlt nachts angenehm ab und das kann uns nur Recht sein. Aber nach einer ganzen Woche mit schlechtem Wetter faellt uns ein, dass der Oktober sowieso als der regenreichste Monat zaehlt und dass wir bisher nur Glueck hatten. Die kleinen Kunas und die duennen Palmen halten am Ankerplatz wenig Schwell auf und es ist gar nicht mehr so gemuetlich.
Haben wir einen Plan B? Panama kennen wir nun fast so gut wie unsere Heimat, also auf zu neuen Gefilden. Gerade im rechten Moment lernen wir unseren Landsmann Oliver kennen, der mit seiner kolumbianischen Freundin seit Jahren zwischen Panama und Kolumbien hin und hersegelt und hier wie da zu Hause ist.
Wir befragen ihn nach Kolumbien und was wir hoeren, macht uns neugierig. Als Reiseland gilt es inzwischen als relativ sicher und nur die ueblichen Gefahrenquellen, die wir in jedem Land beachten muessen, sind zu bedenken.
207 Seemeilen unter Segel und wir koennen uns ganz persoenlich einen Eindruck und sehen, was die spanischen Eroberer uns hinterlassen haben. Neugier und Abenteuergeist erwachen und von der Planung zur Tat trennen uns nur noch Ausklarieren und Abschied nehmen ...... vom schoensten Inselparadies unserer Reise, loss mer jon!!!