Also wer mit einem Katastrophenbericht rechnet, wird enttäuscht sein. Mal muß es auch genug sein mit „spannenden Abenteuern“. Etwas weniger spannend in „unserem Alter“ - ist immer noch spannend genug.
Dieses Mal wollen wir unbedingt im Hellen ankommen und navigatorisch gesehen ist es für den erfahrenen Käpt´n ein Kinderspiel, die ca. 200 sm entsprechend zu planen. Die mögliche Zeit wird ausgerechnet, reichlich Spielraum und Verzögerungen mit einbezogen , so müßte es klappen.
Eine ganz neue Erfahrung für uns, es verzögert sich nichts. Im Gegenteil – wir sausen wieder mühelos mit dem Passatwind, meist 7 kn (ein paar Sekunden waren es auch 10 kn), vorwärts und bekommen auf diese Weise eine ganze Nachtfahrt geschenkt. Eigentlich ein Grund zum Jubeln....
Statt morgen früh können wir bereits am Abend ankommen, gegen 20 Uhr. Mh, Ihr ahnt es schon: doch im Dunkeln. Nun legen wir unser ganzes Geschick darein, die Ankunft soweit herauszuzögern, daß es evtl doch in den frühen Morgenstunden sein wird. Wir lassen die ganze Zeit über alle 3 Reffs drin, aber dennoch schieben uns Strömung von 2 kn und reichlich Wind über den Atlantik. Bis 3.30 Uhr ca. schaffen wir es, der Flußeinfahrt fernzubleiben, dann kommen wir unweigerlich näher. Das ist o.k., die Tonnen sind gut zu sehen und wir haben noch ein paar sm vor uns, bis die Fahrrinne enger wird und wir so richtig den Fluß hinauffahren und bis dahin würde es auf jeden Fall hell sein. Die Zeit vergeht, die Strecke zieht sich.
Wir wissen nicht, daß es noch 14 Stunden dauern wird bis zum Ankerwerfen. Sonst hätten wir dies sofort hier auf der Stelle gemacht und bis zur Flut gewartet. Das Wasser hätte uns dann geschoben und so mußten wir nach Abbiegen in den Fluß gegen die Strömung arbeiten. So kräftig, wie sie uns vorher geschubst hat. Aber Müdigkeit ist ein schlechter Berater. Wir wollten ankommen und der Rest der Strecke erschien uns klein und nichtig. Also volle Fahrt voraus.
Seglern, die nach Suriname kommen wird geraten, über Kanal 12 die MAS zu rufen. Das ist die MarineAutoritätSurinames und es hieß, durch sie bekämen wir erste Information und Anweisung für das Erledigen der Einreiseprozedur. Wir warteten höflicherweise damit bis nach der Frühstückszeit und versuchten später, einen Kontakt herzustellen. Das klappte gar nicht. Obwohl wir sie untereinander sprechen hören konnten, sie gaben keine Antwort. Wir krochen mühsam gegen die Strömung an.
Mit Argusaugen beobachten wir auch das Ufer. Durch die Noone Site wissen wir von einem Hotel, das einen Stegplatz anbietet - für 50 US-Dollar pro Nacht. Auweiha, das tut weh. Aber wir wollen an einem Tag alle Behördengänge und Einkäufe tätigen ganz bequem vom Steg aus und erste Informationen im Touristenbüro einholen und dann einen Ankerplatz suchen. Leider wissen wir nur den Namen des Hotels, nicht die Adresse. Die erfragen wir dann auf Kanal 12 .....
Gegen Mittag endlich bekommen wir Antwort und die Auskunft, der Zoll sei auf der rechten Seite. Auf ein etwas ausführlicheres Gespräch ging Mijnherr MAS nicht ein. Also starren wir gebannt auf die rechte Seite, kein Gebäude sieht annähernd danach aus. Unterwegs kommen wir an vier ziemlich vermoderten abgebrochenen Holzpfählen vorbei, mit einer Treppe, bei der mehr Stufen fehlten als vorhanden waren. Scherzend meinte ich: „Na, das wär doch der ideale Anlegeplatz“.
Es wird immer später und wir haben gar keine Lust mehr zum Suchen. Nochmals die MAS angefunkt. Die große Brücke, die aus Paramaribo – der Hauptstadt Surinams – herausführt, ist bereits kurz vor uns und keinerlei Aussicht auf Anlegen.
Das Hotel war ihnen nicht bekannt. Inzwischen wissen wir, daß es direkt neben den Bürogebäuden der MAS liegt. Sollte es so neu sein, daß sie es noch nie gesehen haben? Segler erzählen seit ca. 10 Jahren davon. Wir können es vom Fluß aus nicht sehen, den Steg hatten wir der MAS zugeordnet, weil er direkt an ihren anschließt.
Schließlich fühlte sich der Angesprochene doch sehr belästigt durch uns und er meint, wir sollen zum Steg der MAS eingangs des Flusses zurückkommen, dort sei jemand und hilft uns dann. Der Zoll sei dort ganz in der Nähe. Nochmal den ganzen Weg zurückgerudert.
Als wir dort ankommen und uns per Funk melden, heißt es: nee, nee, afmeeren streng verboden (anlegen streng verboten). Ein Stück weiter, die erste Möglichkeit zum Anlegen sei für uns richtig, von dort kommen wir direkt zum Zoll.
Diese erste und auch einzige Möglichkeit anzulanden war doch tatsächlich der marode Steg, für den wir vorher bereits keinen ausreichenden Ausdruck des Entsetzens gefunden hatten. Und da sollten wir das Boot alleine lassen. Nee, nee diesmal von uns. Nun wurden wir doch mal richtig sauer. Dieses Hin und Her dauerte bereits Stunden und wir hatten keine Lust mehr. Immer die Sonne und die Uhr im Auge, denn auch dieser Tag würde irgendwann sich verabschieden und dann?
Kurzentschlossen machen wir Kanal 12 aus. Es würde sowieso kein Büro mehr geöffnet sein um diese Zeit. Wilfried hatte von einem Ankerplatz in Domburg gelesen, das bedeutet nochmal 6 – 8 sm. Den steuern wir nun geradewegs an. Wir wollen dann eben später mit dem Bus nach Paramaribo fahren und dort einklarieren. Aber wie sagt Scarlett o´Hara in „vom Winde verweht“? ... nicht heute, verschieben wir es auf morgen ....
Nun können wir die Flußfahrt auch wieder genießen und was wir am Ufer sehen beeindruckt uns sehr und macht neugierig. Es erinnert an Onkel-Toms-Hütte. Plantagen, Wohnhäuser, Hütten eingebettet und umgeben von üppiger verschwenderischer Natur. Der Fluß scheint endlos aber wir werden nicht müde, diese wunderbare Urwaldlandschaft zu bestaunen.
So kommen wir doch tatsächlich mit dem Sonnenuntergang an unserem Ankerplatz in Domburg an. Wir legen uns an die noch freie Mooring und sind erleichtert, daß wir es geschafft haben. Von 3.30 Uhr in der Früh bis jetzt gegen 18.00 Uhr, ein langer Tag und wir sind rechtschaffend groggy.
Endlich angekommen und das hätten wir soooo gern mit einem kalten Biertje begossen. Früh genug war es ja und gegenüber am Ufer hörten wir fröhliche, sicher biertrinkende Leute lachen und erzählen. Aber .... wir hatten doch noch gar kein Geld. Daß in dieser Wildnis am Ufer ein Geldautomat mit den entsprechenden Surinamedollars stehen könnte, hielten wir für unwahrscheinlich.
Wilfried überlegte kurz, ob wir nicht evtl. mit einem US-Dollar dort den Wirt bestechen könnten, uns etwas zu verkaufen. Nö, es sind zwar nur 3 Minuten mit dem Dingi bis ans Ufer, aber eigentlich wissen wir gar nicht, was uns dort wirklich erwartet. Zu sehen ist nur Licht zwischen den Bäumen, es könnten auch Spelunken am Ende der Welt sein oder Sammelplatz für „böse Buben“. Die Vernunft siegt und wir sitzen noch ein wenig draußen und freuen uns schon auf den morgigen Tag.
Wir sind auch nicht lange allein, Fledermausfamilie kommt zu Besuch und scheut sich nicht, auch das Innere des Bootes zu durchflattern. Das gefälltl uns aber gar nicht. Wir verhängen die Türe. Der Umgang mit diesen Tierchen ist für uns neu und arglos lassen wir in der Nacht wie immer eine Luke auf über der Tür. Das ist für sie die Eintrittskarte und nachts um 3 werden wir wach, ein leises Rauschen und Rascheln an unseren Ohren vorbei. Nun waren wir gewarnt, sie müssen draußen bleiben und jeden Abend von jetzt an müssen wir sämtliche möglichen Einflugschneisen ins Boot zuhängen. Sie haben gar keine Angst vor uns, was ich umgekehrt so leicht nicht behaupten kann.
Was haben wir tief und gut geschlafen und am Morgen zeigt sich der Tag von seiner besten Seite. In Sonnenlicht getaucht liegt die wunderschöne grüne Landschaft und wir haben es sehr eilig, mit dem Dingi an Ufer zu kommen. Dort sind rund um einen Platz verschiedene kleine Holzhütten, die Getränke und später auch einheimisches Essen anbieten. Ein chinesischer kleiner Supermarkt und kleine Holzstände sind aufgebaut mit Gemüse und Obst. Sehr exotisch und viele Sorten kennen wir gar nicht. Inzwischen wissen wir, daß dies schon fast das Stadtzentrum von Domburg ist
Für Wilfried ist das hier ein Heimspiel, spricht er Holländisch doch so gut wie seine Muttersprache. So haben wir diesmal kein Verständigungsproblem und erkundigen uns nach einem Geldautomaten. Wir können vorher weder einkaufen noch mit Bus oder Taxi nach Paramaribo fahren. Wir sehen einen Polizisten und steuern darauf zu. Er zeigt auf die rechte Seite und schickt uns ein paar Meter weiter, wo ein gut gefüllter Automat uns endlich zu zahlenden Gästen des Landes machen könnte.
So ein Pech, out of Order, dieser Automat hilft uns nicht weiter. Was jetzt? Wir versuchen per Autostop eine Mitfahrgelegenheit zu bekommen. Niemand hält an. Hinter uns fährt gerade das Polizeiauto an, gesteuert von dem netten Polizisten, der uns vorhin ein paar Örtlichkeiten erklärt hatte mit einem Kollegen. Wilfried zieht nun alle Register, die Mitleid erregen könnten mit viel Elan. Er erklärt ihnen das Problem, daß wir abends ankamen, der Kühlschrank kaputt ist und wir Hunger und Durst hätten und nu kein Geld, um was zu kaufen. So ein Notfall, wir armen Leute.
Sie konnten gar nicht anders. Wir dürfen einsteigen und er möchte uns zu einem weiteren Geldautomat fahren. Gesagt, getan, der war an der Tankstelle und auf dem Monitor stand: Out of Order! Das gefiel niemanden so richtig. Also gut, wenn wir Zeit hätten, sie fahren nach Paramaribo (1 Stunde entfernt) dienstlich und können uns bei der dortigen Bank absetzen. Auf dem Rückweg würden sie uns gern wieder einsammeln. Es wurde eine gemütliche interessante Fahrt. Sie haben viel erzählt von Suriname. Viel reden macht durstig und sie holen sich jeder eine große Dose Bier und trinken sie ganz ungezwungen während der Dienstfahrt in ihrem Dienstwagen :-)
wir werden ganz neidisch – zumal wir nicht im Dienst sind.
Obwohl die Bank die größte des Stadtkerns zu sein scheint, warten sie geduldig erst ab, ob Wilfried sein Geld auch diesmal bekommt. Dann erst verabschieden sie sich und wir bedanken uns und wollen dann aber zurück mit dem Taxi fahren. So können wir noch die Stadt erkunden. Seltsam, fast alle Geschäfte machten nach und nach zu. Offizielle Geschäftszeit in der Woche: 8.00 – 16.30 Uhr. Das sind wir nicht gewohnt, gut zu wissen. Wir gönnen uns ein leckeres Essen, holländische Pommes mit knusprig gebackenem Hühnchen und fahren mit dem Taxi zurück. Hier am Ufer können wir endlich beim Chinesen einkaufen und zurück auf dem Boot ....gibt es endlich das erste kalte Bier.
So sitzen wir noch lange draußen mit Fledermaus und Mosquito auf Du und Du und fühlen uns mal wieder so richtig wohl. Der erste Eindruck dieser schönen Gegend bestätigt sich immer mehr. Die Onkel-Toms-Hütte-Atmosphäre verstärkt sich im Dunkeln. Durch die Bäume schimmern hier und da die Lichter, Konturen von Hütten sind erkennbar und manchmal kommt der Duft von abgebranntem Holz herüber. Kleine Taxiboote bringen die Leute von Ufer herüber auf die andere Seite. Auch die Schulkinder werden mit dem Boot zur Schule gefahren. Sie sammeln sich morgens hier am Anlegeplatz.
Nach diesem ersten Tag wissen wir, hier bleiben wir ein paar Tage und versuchen ein wenig die Gegend zu erkunden. Mühelos könnten wir hier auch eine lange Zeit verbleiben, aber dazu fehlt uns nun die Ruhe. Wir wollen endlich in Trinidad ankommen, da dringende Arbeiten am Boot anstehen und es dort aus dem Wasser geholt werden kann. Und der kaputte Kühlschrank ist immer noch ein Störfaktor beim Wohlfühlen.
Suriname war bis 1975 Holländische Kolonie und so wirkt es bis heute. Ein Völkergemisch von Chinesen, Indern, Indonesiern, Afrikanern und ehemaligen Kolonialherren. Als die Sklaverei abgeschafft wurde, sandte man die Menschen aus den anderen Kolonien der Welt hierhin zum Arbeiten. So treffen hier viele Kultur- und Glaubenskreise aufeinander.
Die Supermärkte gehören ausnahmslos den Chinesen und auch viele Namensschilder an den Geschäften in Paramaribo deuten darauf hin. Wenn wir durch die Straßen schlendern, ist es ein seltsames Gefühl. Einerseits holländisch, aber du könntest auch irgendwo in China sein. Die Touristeninformation hat leider zu, als wir dort ankommen. Sie schließt schon um 15.30 Uhr.
Wir verbringen einen ganzen Tag in der Hauptstadt und sehen unterschiedlichste Straßenzüge.
Wir schlendern auch mal wieder durch eine hiesige Markthalle. Hier müssen wir zurückhaltend sein mit Fotografieren. Viele mögen es nicht und das müssen wir akzeptieren. Das wir so manches Foto gern als Erinnerungsfoto hätten für uns, verstehen sie nicht. In ihrem neuen und noch nicht so starkem Selbstbewußtsein paßt in ihre Vorstellung nicht das Ablichten ihrer Lebenssituation. Für uns ganz neue und uns nachdenklich machende Aspekte, die wir unbedingt respektieren werden
Viele Einheimische haben einen Vogel. Nicht doch, ich mag sie gut leiden, das ist es nicht. Eine typische Eigenart ist es, einen kleinen Piepmatz in seinem Käfig herumzutragen. Das kann zu Fuß geschehen, man geht damit spazieren. Auch auf dem Mofa hat der Käfig Platz und selbst der Busfahrer kam anspaziert mit seinem Vogelbauer unter dem Arm und befestigte ihn während der Busfahrt an einen dafür bestimmten Haken.
Ich nehme mir vor, sobald ich Gelegenheit dazu habe, etwas mehr über dieses Land und die Lebensweise zu erfragen bzw. darüber zu lesen. Suriname ist ein Land, von dem wir beide auf Anhieb sagen, hier könnten wir auch leben.
Bei der täglichen geselligen Runde draußen am langen Tisch eines einheimischen Eßbüdchen sitzen die Segler (ein Geheimtip unter Holländern), holländische Unternehmer und Mitarbeiter sowie Freunde von ihnen. Die gemeinsame Heimat verbindet und es findet ein reger Austausch statt. Jeder Neuankömmling bekommt auch sofort die Informationen, die er braucht und wird aufgenommen in diese Gemeinschaft. Es leben hier manche Segler auf ihrem Boot bereits einige Monate hier und haben es gar nicht eilig weiterzufahren. Das können wir gut verstehen
Dennoch haben wir für Freitag den 5. Juni unseren Abreisetermin ins Auge gefaßt. 500 sm noch bis Trinidad. Von dort aus werden wir dann weiter berichten.