August 2011
In frueheren Zeiten hiess es fuer Neulinge an Bord ersteinmal Deck schrubben und Kartoffeln schaelen. So ein Pech, unser Smutje Nils begnuegt sich von Anfang an nicht damit und gern uebernimmt er das Ruder. Keine Beruehrungsaengste mit der Pinne und ganz Ohr fuer die navigatorischen Erklaerungen des Kaeptn steuert er das Boot sehr souveraen, wir machten direkt nach dem Ankommtag Leinen los gen St. Blas-Inseln.
Sie werden auch Kuna Yala – Kunaland – genannt. Es gibt ca. 365 mehr oder weniger kleine Inselchen, aber kaum 50 davon sind bewohnt. Na ja, bewohnt..... es sind jeweils ein paar Familien pro Inseln, die hautsaechlich mit Kokospalmen bewachsen sind und ein paar Huetten beherbergen mit Waenden aus Schilfrohr, gedeckt mit Daechern aus Palmwedeln.
Das Volk der Kuna-Indianer ist eines der wenigen, dass sich seine Kultur und Autonomie bis heute bewahre konnte. Sie leben sehr traditionell, kein Fremder darf sich bei ihnen niederlassen und bis heute ist keine Heirat mit Nichtkunas erlaubt.
Bei der Heirat zieht immer der Mann zur Frau!
Die Kunas leben in einer matriarchen Gesellschaft. Die Muetter geben ihren Besitz an die Toechter weiter. Werden in einer Familie nur Soehne geboren, wird der letztgeborene Sproessling als Transvestit erzogen. Das ist dort voellig normal und sie werden gesellschaftlich respektvoll anerkannt und geachtet. Sie bekommen fast einen Ehrenplatz in ihrem Dorf, meist entwickeln sie sehr kuenstlerische Talente. Es heisst, die schoensten Molas werden von Transvestiten gefertigt.
Die Frauen der Kunas sind wunderschoen anzusehen in ihren bunten traditionellen Gewaendern, die der frueheren Koerperbemalung entsprungen sind. Den katholischen Missionaren war die natuerliche Nacktheit geschmueckt mit kunstvollen Tatoos und Bemalungen mit Farben, die die Natur so reichhaltig anbot in Pflanzen und Wurzeln, ein Dorn im Auge. So dass diese kreative Bekleidung einer aus Stoff weichen musste.
Der Sinn fuer das strahlende Bunte am Koerper wurde gewahrt und seither in die Kleidung gelegt. Die Mola ist das aufwaendig handgenaehte Stoffteil, das den Hauptteil der Bluse bildet, die Wickelroecke aus buntbedruckten Mustern lassen noch Platz fuer die breiten Perlenschnuere, die die Waden der Kunafrauen schmuecken, sowie die Arme oder Handgelenke. Auch der Nasenring gehoert bei vielen Kunafrauen zur Tradition, sowie feine Bemalung der Nase. Als Schutz vor der Sonne legen sie ein buntes Tuch ueber ihr kurzgeschnittenes schwarzes Haar
El Porvenir ist unsere erste Kunainsel, dort muessen wir einklarieren. Sehr gespannt auf die ersten Eindruecke ankern wir direkt vis-a-vis . Zum Ufer koennen wir paddeln, so nah ist es.
Hier gibt es eine kleine Landebahn fuer zweimotorige Stoppelhopser, die in einem halbstuendigen Flug gen Panama-City Passagiere zum Nationalen Airport bringen. Das ist doch super, Nils reserviert einen Platz fuer den Tag vor seiner Heimreise. So koennen wir die ganze Zeit auf den Inseln bleiben und den Rueckweg nach Colon sparen. Hi, hi, die Reservierung: ein kleines Stueck Papier aus der Zeitung gerissen, darauf steht sein Name handgeschrieben und die Flug-Nr.
Die meiste Zeit spielen Kinder auf der Landebahn Fussball, sonst gibt es keine Strassen, nur sauber gefegte Sandwege. Soviele Fluege gehen nicht ab hier und wenn es denn soweit ist, genuegt ein Pfiff und die Bahn ist frei. Wie spaeter ueberall auf den Inseln geht es auch hier sehr beschaulich zu. Die Kunas sind ein sehr freundliches, bescheidenes Volk. Stress scheint hier niemand zu kennen.
Ein paar Huetten gibt es und zu unserer Verwunderung sogar zwei Hotels, klein und in traditionellem Stil gehalten. Wohl gern genutzt fuer eine Nacht vor dem Abflug. Ringherum Palmen, ein kleiner weisser Sandstrand, Haengematten und das Gefuehl die Zeit steht still.
Waehrend wir noch den Anker herunterlassen steuern uns bereits die ersten Einbaeume an. Wir koennen Lobster, Fische oder Limonen kaufen. Ein anderer Kahn kommt angepaddelt, gefuellt mit vier bunten typisch gekleideten Kunafrauen. Sie legen mit einer enormen Geschwindigkeit eine Unmenge handgearbeiteter Molas ueber unsere Reling, obwohl wir sie gut darauf vorbereitet auf ‚manana’ vertroesten.
Tatsaechlich sind sie am naechsten Morgen die ersten, die ihr Hola herueberrufen und ans Boot klopfen vor unserem ersten Kaffee. Das Angebot ist verlockend, die Abwehrkraefte gegen soviel Ueberredungskunst schlummern noch und wir kaufen die ersten Molas.
Spaeter gehen wir mit dem Dingi auf grosse Fahrt, die naechsten Inseln sind in ein paar Minuten zu erreichen. Wichubhuala ist das erste zusammenhaengende traditionelle Dorf, dass wir betreten und spaeter noch das Nachbardorf Nalunega. Hier bekommen wir einen ersten Einblick in das traditionelle Leben der Kunas, wie es uns spaeter auf vielen anderen Inselchen noch begegnen wird. Im Gegensatz zu den anderen Inseln sind diese Doerfer jedoch mit ihren ca. 50 Huetten recht dicht besiedelt und bieten sogar ein kleines Schulhaus und eine kleine Kirche im einheimischen Baustil:
die Gasflasche, die man am Eingang zur Kirche sieht, ist zu einer Glocke umfunktioniert. Der Boden fehlt und der Kloeppel haengt daneben!
Als Lampenschirm dient eine halbe Wasserflasche.
Zum einheimischen Baustil gehoeren die im Wasser stehenden Toiletten, so auch die Schul-WC's.
Details sind wie immer zu sehen beim Anklicken der einzelnen Fotos.
Ausser den Wohnhuetten gibt es auch eine Huette, die als Versammlungsort fuer das Dorf genutzt wird. Hier treffen sich die Einheimischen, um organisatorische Dinge des Alltags zu besprechen und ein jeder kann seine Probleme dort vorbringen. Diese Art der Kommunikation ist wichtig fuer die Gemeinschaft, die hier noch nicht auf Individualitaet ausgerichtet ist.
Die naechsten Tage verbringen wir mit Inselhuepfen, denn die Zeit mit Nils vergeht viel zu schnell und er moechte doch gern so viel wie moeglich sehen - auch im und unter Wasser. Die jeweiligen Entfernungen sind schnell mit 3 –5 Stunden ueberbrueckt.
So visieren wir die Lemmon Cays an, in Naguarchirdup liegt eine etwas groessere (ca 20) Seglergemeinde am Anker oder an einer Mooring. Die meisten scheinen aber verwaist, die Segler auf Heimaturlaub.
An Land lebt eine Kuna-Familie. Sie betreibt eine kleine Strand- Bar mit fast einzigartigem Angebot: Internet! Es gibt kalte Getraenke und bei rechtzeitiger Bestellung auch Huehnchenbein , Pulpo oder Fisch mit Reis und Salat. Der Wirt ist ein ganz Gemuetlicher, er faellt kaum auf. Wenn wir etwas trinken wollen, holen wir ihn aus seiner Haengematte, in die er nach jedem kurzen Bedienungsweg wieder verschwindet.
Seine Frau sitzt vor vor der Huette und naeht an einer Mola. Die Kinder flitzen herum und spielen mit den Hunden. Und wie ueberall auf der Welt wollen auch die Hunde beschaeftigt werden und spielen, der Schaeferhund belagert uns und da es keine Baelle gibt, schmeisst er uns eine Kokosnuss vor die Fuesse und hofft, dass wir sie weit weg werfen, damit er sie holen kann. Na gut, eine Weile macht das ja auch Spass.
Als wir keine Lust mehr haben und ihn ignorieren , wirft er die Nuss immer naeher an und dabei auch auf unsere Fuesse. Spaetestens da merkt man den Unterschied zwischen einem Ball und einer Kokosnuss. Wie der Leser unschwer erkennen mag, sind wir mit lauter wichtigen Dingen beschaeftigt, nicht wahr? So lebt es sich eben, wenn man lauter kleine Paradiese vorfindet. Meer, Palmen, weise Sandstraende .............. und Hunde, die mit Kokosnusswerfen beschaeftigt werden wollen.
Um 18 Uhr sollten wir zurueckkommen zum Essen, wir freuten uns schon aufs Plaudern mit anderen Seglern. Aber nee, wir waren die letzten und einzigen um diese Zeit und danach ging auf der Insel das Licht aus ...... im Kunaland ticken die Uhren anders. Die Nacht beginnt, wenn es dunkel ist. Man muss bedenken, dass es auf den meisten Inseln ja keinen Strom gibt. Manchmal einen Generator, aber nur zum Vergnuegen bei Licht herumsitzen ist Verschwendung.
Aber lange Abende mit Bier und Wein und Plaudern auf unserem Boot unter dem funkelnden Sternenhimmel laesst uns nichts vermissen. Wir geniessen die gemeinsame Zeit und haben viel zu erzaehlen.
Die bunten Fische erwischen wir noch nicht beim Schnorcheln, aber viele Seesterne auf dem Meeresgrund.
Der naechste Ankerplatz liegt auf den Chichime Cays, wir schauen auf die Inseln Uchutupu Pipigua und Uchutupu Dummat. O je, so heissen sie nun mal, muss man auswendig lernen, wenn man sie aussprechen will.
Hier wollen wir gar nicht mehr weg. Mit dem Dingi fahren wir rueber und liegen faul im Sand herum. Inzwischen schauen wir immer vorher nach oben, den Palmen mit den meisten Kokosnuessen ausweichend, denn das kann ganz schoen weh tun, wenn so eine Nuss herunterfaellt. Dem jugendlichen Bewegungsdrang folgend, will Nils die Insel umrunden, wir stoppen die Zeit. Genau 3 Minuten ist er unterwegs!
Die Familien, die auf den Inseln wohnen, sind zustaendig fuer die vielen Kokosnuesse. Gepflueckt werden sie nicht, sie fallen irgendwann herunter.Der zustaendige Waechter sammelt sie und die meisten werden abgeholt zum Verkauf. Da die Kokosnuesse eine der Haupteinnahmequellen bilden, ist es uns Touristen auch streng verboten, sie aufzusammeln.
Morgens frueh, wenn es hell wird, ist das Aufheben von Kokosnuessen die erste Arbeit und das Fegen der Straende und Wege zwischen den wenigen Huetten. Einige Maenner paddeln zum Festland um Trinkwasser zu holen., andere begeben sich auf Fischfang.
Der Nachmittag und der Abend gehoeren der Familie und den Haengematten. Unterbrochen wird diese Zeit nur von kleinen Ausfluegen per Einbaum zu den vereinzelt dort ankernden Segelbooten, um ihnen Fisch oder Molas anzubieten oder nach Bonbons, Keksen und Cola zu fragen. Selbst fuer die Erwachsenen sind das besondere Koestlichkeiten, die sie nirgendwo kaufen koennen.
So vergeht die Zeit mit Nils mit Inselgucken, Schwimmen und Schnorcheln viel zu schnell und wir muessen zurueck nach El Porvenir. Dort geht in der Frueh um 6.30 Uhr sein Flieger nach Panama-City, schon heisst es Abschied nehmen. Nun geht es ohne Smutje weiter, schade. Wir hatten eine schoene Zeit zusammen und freuen uns, dass es ihm so gut gefallen hat. Wenn Du wiederkommen willst, Nils: Du bist jederzeit herzlich willkommen!
Wir unterbrechen unseren Besuch bei den Kunas noch einmal und bringen das Boot zurueck in die Shelter Bay Marina nach Colon. Unser Paket ist abholbereit in Bocas del Toro. Wir verbinden dies mit einer kleinen Reise durch das Festland von Panama mit einem Mietwagen und kehren dann spaeter zurueck nach Kuna Yala.